Erfahren Sie alles über die Entwicklung Gerstruben ab 1953
Das Gebirgsdorf Gerstruben wurde 1953 von den Rechtlern aus dem Besitz der Freifrau von Heyl unter großen finanziellen Opfern für die einzelnen Mitglieder erworben. Von dem Zeitpunkt an wurden nicht nur die Häuser Gerstrubens, sondern auch eine Reihe von Alp- und Heuhütten stilgerecht erhalten. So sind im ganzen Tal keine Blechdächer zu sehen, sondern vielmehr sind die Häuser und Hütten mit Landern bedacht. 1954 brannte das Haus Nr. 3 ab. An den unbewohnten Häusern nagte unaufhaltsam der Zahn der Zeit. Der in Blockbauweise errichtete Stadel des Anwesens am Raut wurde baufällig. Die Rechtler bauten den Stadel neu, genau nach dem alten Vorbild, wieder auf. Das Wohnhäuschens war schon vor mehr als einem halben Jahrhundert weggerissen worden. Die Säge am Hölltobeleingang – letztmalig nach dem Lawinensturz von 194o in Betrieb – war vom Verfall bedroht, wie auch das Haus Nr. 6 (Sennküche), dessen Grundmauern vom Bergschub eingedrückt waren.
Nachdem der bis 1972 amtierende Rechtlervorstand Anton Berktold sich vor allem um die Ideale und das Geschichtliche von Gerstruben angenommen hatte, erwähnswert sind hier das Büchlein Gerstruben und sein in dieser Informationsmappe abgedruckter geschichtlicher Rückblick, kämpfte sein Nachfolger, Franz Brutscher mit seinen Vorstandskollegen Leo Buchenberg und Wilhelm Friederich für die bauliche Erhaltung und Wiederinstandsetzung des gesamten Gebirgsdorfes. Beratungen und Besprechungen über die Erhaltung der historisch wertvollen Gebäude im großen Stil oder die Preisgabe zur Vernichtung durch kleine Reparaturen auf absehbare Zeit, fanden in zahlreichem Umfang in den Jahren 1973 und 1974 statt. Eine echte Sanierung konnte im Vorfeld aus Kostengründen nicht ins Auge gefaßt werden, weil auch an allen anderen Häusern und der Kapelle Schäden auftraten, die nur durch größere Baumaßnahmen zu beheben waren. Unserem Vorstand Franz Brutscher kamen zur Durchsetzung seines „Ideals Gerstruben“ die guten Verbindungen zum Markt Oberstdorf und darüberhinaus zugute, als er mit dem Ausschuß den Mut und den Willen aufbrachte, die Erhaltung Gerstrubens, auch wenn sie finanziell und wirtschaftlich gesehen unlukrativ war, durchzuführen.
Mit Hilfe des Marktes Oberstdorf und des Kreisheimatpflegers Max Probst bemühten sich die Rechtler um staatliche Zuschußmittel. Hier darf besonders die totale Unterstützung von Bürgermeister Geyer, die entgegenkommende Weise des Landesamt für Denkmalpflege – Dr. Petzet und Dr. Dasser – und die „politische“ Hilfe von Dr. Heubl erwähnt werden. Nicht verschwiegen darf in diesem Zusammenhang die anfangs vom Landratsamt Oberallgäu eingenommene Haltung, die eine Förderung nicht befürworten wollte. Es begann also ein langer, langer Behördenweg – Besprechungen, Besichtigungen, Oberprüfungen und Rückfragen – bis die entsprechenden Genehmigungsbescheide vom Landesamt für Denkmalpflege eintrafen.
Als Einzelmaßnahme und Wegbereiter für den gesamten Denkmalschutz des Gebirgsdorfes wurde die Sennküche (Haus Nr. 6) in der Zeit vom Herbst 1974 bis 1975 vorgenommen. Die Gesamtmaßnahme belief sich auf 77.ooo DM, wobei 4o.ooo DM Eigenmittel der Rechtler erbracht und der Rest über Zuschüsse, die in unserer Kostenrechnung ersichtlich sind, finanziert wurde. Die Arbeit hierzu wurde mit eigenen Leuten, Familie Rietzier und Ausschußmitgliedern wie folgt durchgeführt:
1974 Herbst Sennküche aufwinden, Grundmauern machen, Anbau aufstellen
1975 Frühj. Sennküche Keller ausgraben, Abbinden und aufstellen
Nordseite anschindeln, Holz einziehen Westseite
Herbst Rafen u. Rämling hinauf machen u. neu decken, Baronhaus aufwinden, Holz einziehen u. Nordseite neu schirmen, Säge Weg schieben.
Als Folgeerscheinung und Verdienst der zähen Verhandlungen konnte dann die Erhaltung des Gebirgsdorfes mit der Förderung als Gesamtensemble in Angriff genommen werden. Zur rechtlichen Sicherung mußte eine Vereinbarung zwischen den Rechtlern und dem Freistaat Bayern unterschrieben werden. Die Gesamtfinanzierung ist in der Kostenaufstellung ersichtlich. Die Instandsetzungsarbeiten in der Kapelle wurden von Restaurator Lorch, Füssen, übernommen unter Einschaltung einer Oberstdorfer Baufirma. Alle anderen Arbeiten wurden von der Familie Rietzier und unserem Ausschußmitglied Ludwig Brutscher sowie weiterer Hilfskräfte wie folgt durchgeführt:
1976 Frühj. Baronhaus Treiberzimmer abbrechen, Täfer herrichten für Sennküche, Säge Boden neu machen, Jakobehaus Rafen, Schalung erneuern u. neu schindeln. (Südseite u. Nordseite/ Herbst Säge Bauhof herrichten, Karre u. Antriebswelle machen.
1977 Frühj Jakobehaus Nordseite Wand ausbessern, schirmen u. Mauer
ausgebessert. Kapelle Dach neu schindeln, Jagdhaus Einfahrt machen, Baronhaus Westseite umschlagen, Säge Antrieb machen, Ka’ndel u. Kiesfang. Jagdhaus Nordseite unterfangen.
1978 Jakobehaus Bohne neu machen, Stall Rundholz einziehen, Südseite unterfangen, Baronhaus Veranda neu schindeln, Jakobehaus Ostseite unterfangen, Erstes mal gesägt.
Jagdhaus umschlagen Westseite, Landertreiflar machen, Raut umschlagen
1979 Jakobehaus Ostseite neumachen, Kapelle unterfangen, Holzkasten machen Kapelle, Jagdhaus Stall richten.
1980 Baron aufwinden, Schinde abbrechen Buindegg, Stall neu aufschließen, Scheune machen Buindegg, Baron Holzkasten machen, Jagdhaus aufwinden und abstutzen.
1981 Januar Dächer abschaufeln, Jagdhaus Südseite u. Ostseite Wände neu aufschließen, Schräghag machen Wirtschaft, Jagdhaus Stube neu däfern, Jakobehaus Stube Decke erneuern, Jagdhaus Schopfboden betonieren, Jakobehaus Mauer machen am Weg, Schräghag machen am Weg, Rundholz machen für Sommerstall, Oktober, November, Fundament ausgraben u. Steinmauer machen
für Sommerstall, Dachrinnen herrichten, Sennküche Südseite umschlagen
1982 Frühj. Sommerstall machen, Säge Holzkasten reparieren wegen Hochwasser,
Stall bruggen u. Futterbarren hineinmachen.
In diesem Zusammenhang war auch eine Lawinensicherung für das Gebirgsdorf notwendig. Diese wurde vom Wasserwirtschaftsamt Kempten durchgeführt. Die gute Zusammenarbeit zwischen Rechtlern, Gemeinde und dem Amt hat zu einer reibungslosen Abwicklung geführt und stellt einen sicheren Schutz für das Dörflein dar. Hier sei daran erinnert, daß nicht der Mensch, sondern die Natur selbst das geschlossene Ortsbild zerstörte. Eine vom Hüttenkopf niedergehende Lawine riß im Jahre 194o und ein zweites Mal im Jahre 1976 die Stallung von Haus Nr. 6 weg. Die Lawine anno 194o riß ebenfalls das Haus Nr. 9 (Michaelehüs) nieder. Die Stallung zur Sennküche wurde mit Genehmigung des Landesamtes im Zuge des Ensembleschutzes wiedererstellt. Die Erstellung des Hauses Nr. 9 ist im Moment noch Wunschdenken.
Das Bergdörflein ist nun wieder hergestellt und stellt ein einziges Schmuckstück dar, das wohl in unserem Raum seine Einmaligkeit hat. Sicher ist diese großartige Sache ein Verdienst und ein Sieg der Gemeinschaft und der Zusammenarbeit unter den Rechtlern, dem Ausschuß, der Vorstandschaft, der Geschäftsstelle, der Arbeiter und Mächler, sowie der mit eingeschalteten Dienststellen und nicht zuletzt der Zuschußgeber selber. Aber aus all diesen Leistungen, dies muß bei aller eigener Bescheidenheit festgestellt werden, ragt das Verdienst und die Einsatzbereitschaft des Vorstandes Franz Brutscher heraus.
Die Rechtler haben mit Unterstützung Vieler Denkmalschutz betrieben und werden weiter Denkmalschutz betreiben. Denn: „Was wären die Häuser Gerstrubens mit modernen Fenstern oder gar mit Blechdächern? Wie würde sich eine billige Wandverkleidung mit Eternit ausmachen oder ein Drahtzaun anstelle des Schräghages?“
Albert Titscher
in „Denkmalschutz im Bergdorf Gerstruben“, Informationsmappe 1983