Wie es dazu kam
Auf die Häuser, nicht die Familien, die darin lebten, wurden von alters her die tradierten „Rechte“ verteilt. Zum Beispiel das an Holz aus den „Allmende“-Wald, an der Nutzung der Weiden und Alpen für das Vieh und anderes mehr. Maximal fünf solcher Rechte erhielt jedes Haus. Festgeschrieben, verbrieft, vererbbar, unverkäuflich an Nicht-„Rechtler“. Heute sind die 327 Rechte auf 271 Personen aufgeteilt.
Das war so in weiten Teilen des Allgäu üblich. Doch mit der Einverleibung des Landstrichs zwischen Füssen und Weiler im Westallgäu in den Freistaat Bayern, mit Verordnungen 1808 und 1818, der Ablösung der alten Gemeinde der Dörfler durch die Politische Gemeinde, wurden die historischen Rechte oft verkauft, eingetauscht oder erloschen. Unruhen und Unzufriedenheit habe es seitdem in Oberstdorf unter den Einheimischen gegeben, welches Recht nun der Politischen Gemeinde sei, welches den Einheimischen, weiß der Leiter des Oberstdorfer Heimatmuseums und Ortschronist Eugen Thomma.
Genauere Informationen:
Die Tradition des Rechtlervereins
Von der Allmende bis zum heutigen Verein der ehemaligen Rechtler der Ortsgemeinde Oberstdorf, Facharbeit Christoph Hörmann (1986)
Der Teilungsvertrag 1951
Nachdem sich das Ganze nach Ende des Zweiten Weltkrieges zuspitzte, kam es am 27. Oktober 1951 zu einem Teilungsvertrag. Der „Marktgemeinde Oberstdorf“ wurden 1200 Hektar Land in der Ebene zugewiesen. Für die Ansiedlung von Gewerbe und Handel, für den Bau von Wohnungen, Hotels, Pensionen. 1700 Hektar gingen zu den „Rechtlern“ über, „Weiden, Bergwälder und Ödungen“, wie es in der Vertragsurkunde heißt. Es wird eine salomonische Lösung gewesen sein, die der legendäre damalige Rechtlervorsitzende Anton Berktold ausgearbeitet hatte.
Der Erwerb Gerstrubens
1953 stand der Verkauf des Hochtales an. Für die „Rechtler“ war der drohende Verkauf eine Gretchenfrage. Sie brachten 700.000 Mark für den Kauf auf. Jeder der kleinen Bauern musste sich damals mit 1000 Mark beteiligen. Seit dem ist das „Bergbauerndorf“ in der Hand der Rechtler.
Mehr dazu auf den eigenen Seiten von Gerstruben
Weitere Entwicklung
Es war Weitblick und eine Fügung des Schicksals, dass sich das vermeintliche Weide- und Ödland im Osten und Südosten Oberstdorfs, in den Seitentälern oder an den Berghängen, angesichts der Expansionspläne der Marktgemeinde in den vergangenen 50 Jahren als wertvolles Kapital in mehrfacher Hinsicht erwies … . Ob der Bau des Eisstadions, der Ausbau des berühmten Schattenberg-Skisprungstadions, das Wasserkraftwerk Warmatsgund – immer wieder stießen Bürgermeister Geyer oder seine Vorgänger auf „Rechtler“-Grund und Mitbestimmungsrechte.
Doch natürlich haben sich die „Rechtler“ nicht immer quergestellt. Gegen guten Grundstückstausch wurde die Zufahrt zur neuen Fellhornbahn 1972 möglich, und der vergrößerte Auslauf der bekannten Skifiugschanze im Stillachtal zwecks Weltrekordjagd beim Sprung durch die Lüfte war auch genehm. Fast 200 Kilometer Spazier- und Wanderwege, der großteil der Langlaufloipen und Skiabfahrten gehen über „Rechtler“-Grund.
Als eine große Zufahrt zur Nebelhornbahn quer durch den Osten Oberstdorfs geplant wurde, hieß es Mitte der 90er Jahre aber genauso kompromisslos „Nein!“, wie im vergangenen Herbst beim Plan, das Langlaufstadion zur Nordischen Skiweltmeisterschaft 2005 unmittelbar am Ortsrand zu bauen. Man brauche den Grund als Vorweide für das Vieh verlautete aus dem kleinen Büro der Wald- und Weidegenossenschaft. Die Gemeinde fand eine Alternative gut zwei Kilometer weiter weg.
Ausblick
Konnte man ihnen trotzdem lange Zeit nachsagen, bei allen Verdiensten eher passiver Wahrer und Erhalter zu sein, blickt die Gemeinschaft der 270 seit einigen Jahren bei Investitionen bewusst nach vorne. Verfallene Alphütten wurden in den vergangenen zwei Jahren restauriert oder neugebaut, in Gerstruben will man ein kleines Museum in einem der alten Häuser eröffnen. Und eine der ältesten Touristenattraktionen des seit 1937 „Heilkiimatischen Kurortes“ Oberstdorf hat man im November des vergangenen Jahres zu neuem Leben erweckt. In der Gemarkung „Hoffmannsruh“ rund um das erste Freibad, den „Moorweiher“, wurde der dichte verwilderte Wald ausgeforstet, die historischen Sichtschneisen auf Oberstdorf freigelegt.
Text (leicht verändert) von Stefan Lieser
aus „Die Rechtler von Oberstdorf“ in Internetredaktion.com